Der 25. „Weisse Rausch” in St. Anton

Dramatik par excellence prägte das silberne Jubiläum des härtesten Abfahrtsrennens der Alpen – bei herausfordernden Wetter- und Pistenverhältnissen ließ „Der weisse Rausch” in St. Anton heuer keine Gnade walten und war erbarmungsloser denn je. Neuschneemengen und Nebelsuppe sorgten dafür, dass Start und Streckenverlauf kurzfristig geändert werden mussten – 4,3 statt der traditionellen 7,5 Kilometer und 820 statt 1350 Höhenmeter. Leichter wurde es für die 555 Athlet:innen dadurch aber keinesfalls, denn die Rennkarten wurden auch für die erfahrenen Vollprofis gänzlich neu gemischt. Wie immer aber galt auch bei der 25. Auflage nur eine Regel: Wer später bremst, ist länger schnell.

Zuerst laufen, dann Skifahren

Wie gewohnt herrschte ein gigantisches Getümmel am Start, der in diesem Jahr unter neuen, unberechenbaren Vorzeichen stand. Nach 25 Jahren startete „Der weisse Rausch” nämlich erstmals nicht auf der 2.645 Meter hohen Valluga, sondern am Galzig (2.185 m). Eine Premiere zum Saisonfinale, die es mächtig in sich hatte, denn von der ersten Sekunde an war ordentlich Schmalz in den Oberschenkel gefragt – wo die Brettl-Artisten sonst wie Pfeile aneinander vorbei in Richtung Tal schießen, ging es diesmal im Laufschritt 300 Meter bergauf in Richtung Galzig-Gipfel – eine unglaublich harte, schweißtreibende Challenge, die dem sonst so gefürchteten „Schmerzensberg” kurz nach dem Massenstart in nichts nachstand. 

Miserabler Pistenzustand

Auf den Anstieg folgte schließlich die erste Abfahrt – und sogleich das erste Duell, in dem der bis dahin führende Jochen Riexinger gegen Dieter Bischof das Nachsehen hatte. Nahezu im totalen Blindflug steuerte Bischof auf die gefürchtete Kandahar-Abfahrt zu – selbst die Dutzenden Kameras hatten ob des extremen Nebels mit Sichtproblemen zu kämpfen. Normalerweise ist die Kandahar eine plattgewalzte Piste – doch beim Weissen Rausch verwandelt sie sich in ein erbarmungsloses Ungeheuer: Die Adrenalinjunkies bretterten im Vollspeed über ein schier endloses Meer aus in Pulverschnee gehüllte, hüfthohen Eisbuckeln.

Vertikal ins Tal

Dann hieß es, Nerven bewahren – denn an genau dieser Stelle waren im Vorjahr die Siegeschancen für Dieter Bischof nach einem verheerenden Sturz jäh zerschellt. Diesmal erlaubte sich der Vorarlberger keine Flüchtigkeitsfehler und nahm die Buckelpiste souverän in Angriff – spätestens jetzt war ihm die Führung nicht mehr zu nehmen. 

Im Zielgelände hieß es dann: Skier abschnallen und nochmals „auffi aufn Berg” – die riesigen Schneegebilde zogen den AthletInnen noch die restlichen Energiereserven aus dem Körper, ehe sie sich unter frenetischem Applaus der Tausenden Zuschauenden mit letzter Kraft ins Ziel schleppten. 

Ein gewaltiges Comeback

„Weisser Rausch”-Dauergast Dieter Bischof überwand den Höllenritt in sage und schreibe 8:43,38 Minuten und verwies die Deutschen Clemens Schenk und Jochen Riexinger auf die Ehrenplätze. Für den Vorarlberger war es nach 2022 der bereits zweite Sieg beim Weissen Rausch – ein „unbeschreibliches Gefühl”, wie er sagt: „Die neue Strecke war mindestens so intensiv und anstrengend wie das Original, ich musste eine ganz andere Taktik fahren als sonst, immerhin war der Aufstieg zu Beginn mehr als dreimal so lang wie normal. Bei diesem speziellen Rennen jetzt wieder zu gewinnen, bedeutet mir sehr viel und macht mich unglaublich stolz”, resümierte Bischof.

Ein Sieg mit Ansage

An der Frauenfront hatte Regina Wintersteller beim Überschreiten der Ziellinie gar noch Armschmalz genug, die Skier triumphierend in die Höhe zu strecken; sie gewann das irre Rennen in 11:14,43 Minuten vor Tanja Betschart (SUI) und Pia Witte (GER). Wintersteller, im Vorjahr hervorragende Zweite, hatte schon kurz vor dem Start selbstbewusst angekündigt, sich in diesem Jahr den Sieg holen zu wollen – was sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht wusste: Die Bedingungen sollten noch härter werden als im Vorjahr. „Die steile Laufstrecke zu Beginn war echt heftig, die Kandahar mit den steinharten Tiefschnee-Buckeln extrem”, so die gebürtige Salzburgerin und Wahl-Tirolerin über ihre dritte Erfahrung beim „Weissen Rausch”.

Die Kleinsten ganz groß

Und auch für den Nachwuchs ist beim Kultskirennen auf jeden Fall gesorgt. Das bewiesen jene 50 Mädchen und Burschen aus den Jahrgängen 2008 bis 2013, die sich vor dem Rennen der Großen im Rahmen des Mini-Bewerbes in Szene setzten. Bei den Burschen hatte der Vorarlberger Matheo Dohr (2008) mit einer Zeit von 2 Minuten und 17 Sekunden die Nase vorn, bei den Mädchen gewann die Schweizerin Alissa Blattmann (2008) in 2 Minuten und 47 Sekunden.

Einmaliges Fest der Emotionen

Für Martin Ebster, Direktor des Tourismusverbandes St. Anton am Arlberg, war das Jubiläumsrennen ein Erfolg auf ganzer Linie: „Den Start zu verlegen, war die einzig richtige Entscheidung. Das Rennen war anders, aber keineswegs einfacher – und das bei widrigsten Verhältnissen. Das Wichtigste ist, dass alle SportlerInnen gesund im Ziel angekommen sind und wir in hunderte lachende und strahlende Gesichter blicken dürfen.”

Vor allem der Zusammenhalt auf- und abseits der Pisten mache den Weissen Rausch jedes Jahr aufs Neue zu einem unvergleichlichen Event am Arlberg: „Seit 25 Jahren hat sich die Kraft in diesem Rennen immer weiter aufgeschaukelt – und für uns als Region ist es eine Ehre, dieses Gefühl in die Welt hinaus tragen zu dürfen. Menschen vollbringen hier großartige sportliche Leistungen, das sind Emotionen, wie man sie sonst nirgends findet”, beschreibt Ebster den „Mythos” des Weissen Rauschs.

Am Ende vereint alle der Stolz, diese unglaubliche Grenzerfahrung gemeistert zu haben. Und eines ist gewiss: Der weisse Rausch 2025 kann und wird kommen – in 364 Tagen geht der helle Skiwahnsinn in seine 26. Runde!

Ergebnisliste

Herren Ski Alpin

  1. Dieter Bischof, AUT, 08:43,38
  2. Clemens Schenk, GER, 09:18,53
  3. Jochen Riexinger, GER, 9:25,47

Damen Ski Alpin

  1. Regina Wintersteller, AUT, 11:14,43
  2. Tanja Betschart, SUI, 11:39,69
  3. Pia Witte, GER, 11:58,08

Bild: Eva Beer