„Employer Branding“, was so viel bedeutet wie „Mitarbeitermarketing“ lautet die Devise für viele Unternehmen. Flexible Arbeitszeiten, Goodies oder firmeninterne Unterhaltungsangebote werden heutzutage als Extras geboten, um als Arbeitgeber attraktiver zu sein. Der Faktor, einen sicheren Arbeitsplatz zu haben, scheint zu wenig zu sein. Ist das wirklich so? Betriebe in allen Sparten suchen hängeringend Personal – wir beleuchten mit Vertretern der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite die zentrale, vieldiskutierte Frage: Will denn wirklich niemand mehr arbeiten?
Eine „Work-Life-Balance“, sozusagen den Job und das Privatleben in Einklang bringen, wünschen sich so viele. Der Anglizismus, der auf Mitarbeiterseite in aller Munde ist und Priorität erlebt, stößt so manch einem Unternehmer sauer auf. Ganz so dramatisch formuliert es der Wirtschaftskammer-Obmann für den Bezirk Landeck, Michael Gitterle, nicht: „Ich würde sagen, es ist viel mehr ein Denkprozess, der durch die Coronapandemie bei vielen Arbeitnehmern hervorgerufen wurde. Viele haben sich vielleicht in dieser Zeit die Frage gestellt, ob es zwingend eine Vollzeitanstellung sein muss, oder 30 Stunden Arbeitszeit pro Woche vielleicht auch ausreichen?“ Das Credo von Michael Gitterle lautet ganz klar: „Arbeit muss sich wieder mehr lohnen in Österreich.“ Konkret meint er damit, dass Löhne und Gehälter von Vollzeitarbeitenden aus seiner Sicht zu hoch besteuert werden im Vergleich zu Teilzeitarbeitskräften. Vereinzelt hört er aber auch Negatives von Arbeitgebern, wie er gesteht: „Manche Arbeitnehmer treiben es mit ihren Wünschen und Vorstellungen schon auf die Spitze“, schildert er Rückmeldungen vieler Unternehmer.
Besonders betroffen: Der Tourismus
Dass alle Sparten derzeit Mitarbeiter suchen, bestätigen auch der WK-Bezirksstellenobmann Michael Gitterle und der Oberländer Regionalsekretär des Österreichischen Gewerkschaftsbundes, Roland Graswander, der anmerkt: „Ob ich als Erdbeerpflücker oder Ingenieur arbeiten will, derzeit werden in allen Sparten Mitarbeiter gesucht.“ „Besonders betroffen ist allerdings schon die Tourismussparte“, wie Michael Gitterle weiß und ausführt: „Restaurants, die wegen Personalmangels einen Ruhetag einführen müssen, gibt’s mittlerweile überall.“ Aus der Sicht des WK-Bezirksstellenobmanns sind zwei Entwicklungen ersichtlich: „Zum einen sind es eben plötzlich eingeführte Ruhetage aufgrund des Personalmangels, die es vorher nicht gab. Ebenso zeichnet sich eine Tendenz in Richtung Betriebsumstrukturierung ab. Beispielsweise wird das Hotel zum Appartementbetrieb umgebaut“, sagt Gitterle. Dadurch seien Unternehmen weniger von Mitarbeitern abhängig und dementsprechend weniger betroffen vom derzeitig vorherrschenden Mitarbeitermangel.
„Ein geregelter Zuzug“
Die Forderungen beziehungsweise Wünsche vieler Mitarbeiter, wie etwa jene nach einer 4-Tage-Woche, sind nicht überall umsetzbar, das unterstreicht auch Roland Graswander, der nicht glaubt, dass nur Unternehmen, die zahlreiche „Goodies“ anbieten, Mitarbeiter bekommen: „Entscheidender ist, dass eine Sympathie und eine Wertschätzung vorhanden ist, natürlich ist auch der finanzielle Part entscheidend. Ebenso ein gutes Arbeitsumfeld und -klima. Ist das alles vorhanden, gelingt es auch, Mitarbeiter zu finden“, ist Roland Graswander überzeugt. Michael Gitterle glaubt, in einem „geregelten Zuzug“ eine Lösung des Problems zu finden. Er ist überzeugt: „Es gibt viele Top-Betriebe, die sehr viel für ihre Mitarbeiter tun und sich sehr anstrengen“ und: „Es muss auch angemerkt sein, dass Mitarbeitermarketing, das mittlerweile alle betreiben, mit hohen Kosten verbunden ist.“
„Beim AMS sind die Mitarbeiter nicht“
Roland Graswander wehrt sich vehement gegen die Aussage, dass in der Arbeitswelt fehlende Mitarbeiter beim AMS arbeitslos gemeldet sind: „Es gab prozentuell gesehen noch nie so viele Arbeitnehmer wie jetzt. Gegen die Aussage, dass alle Mitarbeiter beim AMS gemeldet sind und nicht arbeiten wollen, wehre ich mich. Es gab noch nie so wenige Arbeitslose wie jetzt“ und: „Das Grundübel suchen wir leider immer bei den Schwächsten in unserer Gesellschaft.“ In diesem Zusammenhang zeigt Roland Graswander auf, dass dieser Teil, der aktuell arbeitslos gemeldet ist, dies auch bleiben wird: „Einen gewissen Anteil an Langzeitarbeitslosen und/oder psychisch oder physisch kranken Menschen hat es immer gegeben und wird es immer geben.“ Auch weist Graswander darauf hin, dass es einen Facharbeitermangel schon vor der Pandemie gab. Aus diesem wurde allerdings mittlerweile ein allgemeiner Mitarbeitermangel.
Von Elisabeth Zangerl
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