Neue Form der psychosozialen Beratung

Mit der Trialogischen Beratungsstelle werden in Tirol neue Wege in der psychosozialen Beratung beschritten. Das Angebot basiert auf der Tradition der „Psychoseseminare“, die unter Einbeziehung von drei Perspektiven erfolgen: Jener der Betroffenen einer psychischen Erkrankung/Beeinträchtigung/Problemstellung, jener der Angehörigen sowie jener der Professionisten. Das Land Tirol finanziert die Beratungsleistungen mit jährlich rund 48.000 Euro.

„Die Beratungsstelle mit Standort bei ‚start pro mente‘ in der Karmelitergasse 21 in Innsbruck wurde auf Initiative von TIPSI – dem Tiroler Interessenverband für psychosoziale Inklusion – gemeinsam mit den Kooperationspartnern, dem Tiroler Landesverband für Psychotherapie und HPE Tirol konzipiert und gegründet. Wir arbeiten seit Juli 2020 und bieten kostenlose und anonyme Beratungen für psychisch erkrankte Menschen und ihre Angehörige an“, informiert Elmar Kennerth vom Tiroler Interessenverband für psychosoziale Inklusion und Vorsitzender sowie Geschäftsführer der Trialogischen Beratungsstelle. Grundsätzlich werde nach einer telefonischen oder schriftlichen Abklärung eine Beratung mit drei Beratern aus den jeweiligen Perspektiven angeboten. Weitere Beratungen können dann in variierenden Settings in Anspruch genommen werden, erläutert Kennerth den Ablauf der Beratung, die vor allem für Betroffene und/oder Angehörige angeboten werden. „Ziel ist es, die mit einer psychischen Erkrankung einhergehende Stigmatisierung abzubauen, eine weitere Behandlung einzuleiten und Bewusstsein und Wissen über den Krankheitsverlauf zu vermitteln. Gleichzeitig soll wechselseitiges Verständnis und gedeihliches Miteinander innerhalb der Familie – den erkrankten Personen und den Angehörigen – erreicht werden. In diesem Sinne tragen wir mitunter auch zur Gewaltprävention bei“, berichtet Kennerth.

Begleitung auf dem Weg zur Bewältigung der Problemlage

„Das Konzept der Trialogischen Beratungsstelle ist modern, am Puls der Zeit und lässt Stigmatisierung und Machtverhältnisse früherer sozialpsychiatrischer Behandlungstechniken hinter sich. Es freut uns sehr, dass das Land Tirol dieses in Österreich einzigartige Beratungsangebot befürwortet“, hebt Ines Gstrein vom Tiroler Landesverband für Psychotherapie (TLP), einer der drei Kooperationspartner der Trialogischen Beratungsstelle, die Vorteile des Konzepts hervor. Eine beratende Psychotherapeutin unterstützt die Hilfesuchenden innerhalb der Beratungssettings mit ihrer psychotherapeutischen Sichtweise. „Der Blick der Betroffenen sowie jener der Angehörigen eröffnen eine Erweiterung des Verstehens- und Unterstützungsprozesses. Sie können auf sehr authentische Weise hilfesuchende Menschen auf dem Weg zur Bewältigung der Problemlage begleiten“, weiß Gstrein aus Erfahrung.

Für die HPE Tirol ist die Mitarbeit an der Trialogischen Beratungsstelle eine neue Form der bestehenden Hilfsangebote für Angehörige von Menschen in einer psychischen Ausnahmensituation oder mit einer psychischen Erkrankung: „Angehörige nehmen häufig schneller und intensiver als die Betroffenen selbst wahr, dass sich etwas Gravierendes im Verhalten verändert hat und reagieren mit Unverständnis, Verzweiflung, Ohnmacht, Wut und Angst. Die Erfahrung zeigt, dass im Unterschied zu den Betroffenen Angehörige schneller und leichter beratende Hilfe in Anspruch nehmen“, betont Irmgard Hofer-Wolf von HPE Tirol. Im Rahmen der Trialogischen Beratung bringt sich HPE Tirol mit der Erfahrung betroffener Angehöriger ein: „Wir kennen die Situation von Angehörigen von Personen mit psychischen Erkrankungen nur zu gut, wir haben diese auch so erlebt, wir verstehen, warum und wie die Angehörigen reagieren. Ihre Gefühle sind eine normale Reaktion auf eine nicht normale, schwierige, herausfordernde Situation. Wir können am eigenen Beispiel zeigen, dass es irgendwann wieder zu einer Normalisierung kommen wird und im besten Sinne Mut machen. Unser Motto in der Beratung: ‚Fürchte dich nicht und schau auf dich!‘“, skizziert Hofer-Wolf den Beitrag des Kooperationspartners HPE Tirol.

Seit dem Start im Juli 2020 wurden rund 170 Beratungen durchgeführt. „Wir haben diese wichtige Maßnahme zur richtigen Zeit gesetzt und der Erfolg gibt uns recht: Die Trialogische Beratungsstelle wird gut angenommen und hat sich bewährt. Gerade jetzt, da wir immer noch unter den negativen Auswirkungen der Corona-Pandemie zu leiden haben, ist eine breite psychosoziale Beratungslandschaft besonders wichtig und wertvoll. Wir stehen erst am Anfang, die Folgen der Pandemie zu bearbeiten. Dabei ist die psychische Gesundheit der Bevölkerung mindestens genauso wichtig wie alle anderen Aspekte“, ist LRin Gabriele Fischer überzeugt und ortet aus diesem Grund einen weiterhin steigenden Bedarf an psychosozialer Unterstützung und Hilfe.