Ensemble "Ich bleibe hier" auf Oberland DABEI

Volksschauspiele im Zeichen der starken Frau eröffnet

Mit einem Festakt und der Premiere des Stückes „Ich bleibe hier“ im Kranewitter-Stadl fiel kürzlich der Startschuss für die Spielsaison 2022 der Tiroler Volksschauspiele unter dem Motto „Starke Frauen. Große Legenden“. Das Publikum war prominent besetzt, die Stimmung spürbar gut.

Im Kranewittergartl hatte sich das Premierenpublikum zum Come-Together versammelt – bis passend zum Thema des Theaterabends das Wasser kam. Denn die Wettergöttin ließ es zum Auftakt ordentlich krachen. Warum auch nicht? Ein wenig Abkühlung nach dem Hitzetag tat gut und dem positiven „Spirit“ des Auftaktes konnte das Gewitter sowieso nichts anhaben.

Mit Geschäftsführerin Verena Covi, die die Eröffnung moderierte, betrat die erste starke Frau die Bühne, um gleich die Gretchenfrage zu stellen: „Was sind starke Frauen?“. Man käme nicht als Frau auf die Welt, man werde es, zitierte sie Simone de Beauvoir, um dann S.T.A.R.K.E. F.R.A.U.E.N. pointiert zu buchstabieren.

Grüß Göttin.

Ihr folgte als Rednerin die Telfer Kulturreferentin Theresa Schromm mit einem erfrischenden „Grüß Göttin“ zur Begrüßung der Ehrengäste. Mit einem Zitat der Schriftstellerein Christa Wolf leitete sie über zu Dankesworten anlässlich des 40. Spielsommers in Telfs: „Sie schrieb: „Der Mantel der Geschichte weht zugunsten derjenigen, die genug Puste haben, die Windrichtung zu bestimmen.“ Wenn ich mich momentan umschaue, werden wir als Gesellschaft noch viel Puste benötigen, um die Herausforderungen unserer Zeit zu meistern. Energie dafür kann uns das Theater liefern. Denn obwohl es den Finger in Wunden legen kann, sogar soll, öffnet es doch eine faszinierende Welt, die zum Innehalten, Nachdenken, Träumen und Krafttanken einlädt. Genau das gelingt den Tiroler Volksschauspielen bereits seit mehr als 40 Jahren. Ich möchte mich bedanken bei allen Beteiligten vor, auf und hinter der Bühne, die unermüdlich dafür sorgen UND jahrzehntelang dafür gesorgt haben, dass Telfs kulturell strahlen darf!“

Selbstbestimmt leben.

Landeshautmann-Stellvertreterin Ingrid Felipe überbrachte stellvertretend auch für die urlaubende Kulturlandesrätin Beate Palfrader die Grüße des Landes Tirol und gab Antwort auf Covis einleitende Frage: „Starke Frauen sind jene, die in einer nach wie vor patriarchalischen Welt selbstbestimmt ihr Leben leben. Wir alle stehen heute auf den Schultern starker Frauen aus der Vergangenheit. Ich freue mich deshalb ganz besonders auf diesen Theaterabend.“

Kirchturm als Mahnmal.

Wirtschafts-Landesrat Anton Mattle bedankte sich in seinen Begrüßungsworten für die Einladung und dafür, „dass die Tiroler Volksschauspiele seit 40 Jahren den Finger in Wunden legen und gesellschaftlich relevante Themen aufgreifen. Der Kirchturm von Graun, um den es heute Abend geht, soll ein Mahnmal bleiben gegen Faschismus und Nationalismus.“

„Es leben die Volksschauspiele. Punkt!“

Der zweite Mann am Mikrofon war an diesem Abend Christoph Nix, der den heurigen Telfer Theatersommer noch als künstlerischer Leiter verantwortet, ehe ihm im Herbst Gregor Bloéb in dieser Funktion nachfolgt: „Ich bleibe hier – das ist ein Satz wie ein Hammer, eine Haltung. Wenn es den Volksschauspielen gelingt, komödiantisch und dramatisch mit großer Ernsthaftigkeit und Liebe diese Haltung zu leben, dann ist dieser Satz ‚Ich bleibe hier‘ keine Drohung, sondern eine Sicherheit, ein Vermächtnis. Und der Satz gilt auch dann, wenn ich nicht hier bleibe. Deshalb: Vielen Dank! Bühne auf! Endlich die Kunst, endlich vorbei mit der Kritik an irgendwelchen Auseinandersetzungen. Es lebe das Theater und es leben die Volksschauspiele. Punkt!“

Gesellschaft braucht Feminismus.

In ihrer Festrede „Der Wahnsinn einer einseitigen Realität: Kunst, Frauenkörper und feministische Perspektiven« zeigte Katharina Schaller, Autorin und Leiterin des Haymon-Verlages, auf, wie sehr die Gesellschaft Feminismus, Feministinnen und Feministen zur Veränderung von Strukturen braucht:  „Feminismus, wie ich und viele andere ihn begreifen, ist die Grundlage für ein System, in dem es nicht darum geht, Männer zu verurteilen, sondern das Ziel zu haben, Menschen dieselben Rechte zuzugestehen und ein gutes Leben für Alle zu ermöglichen.“

Dass die Eröffnung des Festivals rund um starke Frauen aus Geschichte und Gegenwart vom Männergesangsverein Telfs musikalisch umrahmt wurde, kann man schmunzelnd als Ironie verstehen. Den weiblichen Counterpart dazu bildeten „Mad About Lemon“, ein Trio-Projekt der Tiroler Sängerinnen Heidi Erler, Mimi Schmid und Anna Widauer. Beide Ensembles präsentierten sich überwältigend „stimmig“ und begeisterten die Zuhörerinnen und Zuhörer.

Den Reden und Darbietungen lauschten unter anderem aus der Politik die beiden Nationalratsabgeordneten Barbara Neßler und Gerald Hauser, Landesrätin Gabriele Fischer und Bezirkshauptmann Michael Kirchmair. Der im Urlaub befindliche Telfer Bürgermeister Christian Härting wurde von Vize-Bürgermeister Johannes Augustin vertreten, auch einige Gemeinderätinnen und Gemeinderäte werteten die Eröffnung mit ihrer Präsenz auf. Erfolgsautor Uli Breé gab sich genauso ein Stelldichein wie ORF-Landesdirektorin Esther Mitterstieler.

Sie bleiben hier.

Während draußen noch das Glas geleert wurde, nahmen drinnen Wiltrud Stieger, Edwin Hochmuth, Elena-Maria Knapp, Eleonore Bürcher, Luis Auer und Peter Cieslinski auf bzw. hinter der Bühne Aufstellung. In der Uraufführung von „Ich bleibe hier“ nach dem gleichnamigen Roman von Marco Balzano erzählten sie die Geschichte der Lehrerin Trina und ihrer Familie, deren kleine Welt im Dorf Graun am Reschenpass nicht nur von den verheerenden Kräften zur Zeit des 2. Weltkrieges, sondern auch jahrzehntelang von einem überbordenden Staudammprojekt bedroht und letztlich geflutet wird. Unter der Regie von Lorenz Leander Haas und in der Ausstattung von Uschi Haug zeigen die sechs Schauspielerinnen und Schauspieler im Wortsinn Bühnenpräsenz und Wandlungsfähigkeit – ohne große  Auftritte und Abgänge, ohne Requisitenarsenal, ohne Umbaucrew. Sie bleiben hier. Sie erzählen ihre Geschichte(n), die über und die unter Wasser. Gut zweieinhalb Stunden lang mit Pause. Danach macht sicher niemand mehr aus dem Publikum jemals wieder ein grinsendes Selfie vor der alten Grauner Kirchturmspitze. Die Premierengäste applaudierten lange und stehend. Die weiteren Vorstellungen sind bereits ausverkauft.

Weiter geht’s mit dem Premierenreigen am morgigen Dienstag, 26. Juli, auch im Kranewitterstadl: Da steht die Wiederaufnahme von „Der Träumer ist bereits frisiert – Georg Kreisler für Mutige“ aus dem Vorjahr am Spielplan. Unter der Regie ebenfalls von Lorenz Leander Haas singen und spielen Anne Simmering, Harald Schröpfer und Frajo Köhle.

Tickets und weitere Infos gibt’s online auf www.volksschauspiele.at, telefonisch unter 0676/83038753 sowie persönlich im Ticketbüro im RathausSaal, 1. Stock, von Dienstag bis Samstag, 14 bis 18 Uhr.

Titelbild: Für das hervorragende Ensemble gab es einen langen Schlussapplaus.

Foto: TVSS/Victor Malyshev