AKW-Übung in Oberland DABEI

Einsatzkräfte übten für radioaktiven Ernstfall

Vorfälle in Atomkraftwerken (AKW), Unfälle beim Transport radioaktiven Materials oder radiologischer Terror – verschiedenste Szenarien könnten dazu führen, dass in Tirol Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung vor radioaktiver Strahlung geleistet werden müssen. „Aktuell gibt es keinerlei Hinweise auf erhöhte Gefahrenlagen für radiologische Vorfälle, die Tirol betreffen könnten. Dennoch – unabhängig der Wahrscheinlichkeit solcher Szenarien – gilt es, sich vorzubereiten, um im Ernstfall rasch und effizient handeln zu können. Das ist keine Panikmache, sondern eine vernünftige Vorsorge“, erklärt Sicherheitslandesrätin Astrid Mair.

Um für mögliche radiologische Vorfälle jeglicher Art gerüstet zu sein, bereitet das Land in enger Abstimmung mit den zuständigen Bundesministerien entsprechende Notfallpläne vor. Gleichzeitig werden in Zusammenarbeit mit den Einsatzorganisationen regelmäßige Übungen vorgenommen. So auch kürzlich im Rahmen der Landesübung „Strahlex.23“: Neben einer Stabsübung mit der Annahme eines Unfalls in einem grenznahen AKW wurden bei einer Leistungsschau in der Andreas-Hofer-Kaserne in Absam unterschiedliche Szenarien mit radioaktiver Kontamination bewältigt. Im Vorfeld der Leistungsschau berichteten LRin Mair, Ingo Gstrein, Militärkommandant von Tirol und Elmar Rizzoli, Leiter des Tiroler Zentrums für Krisen- und Katastrophenmanagement, über die Übung sowie Vorbereitungen seitens des Landes und des Österreichischen Bundesheeres sowie der weiteren Einsatzorganisationen.

LRin Mair: „Krisen- und Katastrophenmanagement funktioniert nur im Netzwerk“.

An der Großübung nahmen VertreterInnen des Österreichischen Bundesheers, des Roten Kreuzes, der Feuerwehr, der Polizei sowie des Instituts für Strahlenschutz und Dosimetrie des Landes teil. Insgesamt waren rund 180 Personen beteiligt.

Im Fokus der „Strahlex.23“ stand neben den konkreten Abläufen im Falle eines radiologischen Vorfalls insbesondere die Zusammenarbeit zwischen Behörden und Einsatzorganisationen. „Krisen- und Katastrophenmanagement funktioniert nur im Netzwerk: Je besser alle Akteurinnen und Akteure im Vorfeld abgestimmt sind, desto rascher und effizienter können im Ernstfall Strahlenschutzmaßnahmen umgesetzt werden. Übungen wie heute stärken die Vernetzung untereinander und tragen somit zur Sicherheit der Bevölkerung bei. Gleichzeitig möchten wir die Gelegenheit nutzen, um die Bevölkerung transparent über mögliche Gefahren aufzuklären und für den Zivilschutz zu sensibilisieren“, erklärt LRin Mair. Dem pflichtet auch Militärkommandant Gstrein bei: „Voraussetzung für eine gut funktionierende Bewältigung unterschiedlichster Szenarien ist eine enge Abstimmung aller Beteiligten. Gleichzeitig gilt es, die entsprechenden Notfallpläne griffbereit in der Schublade zu haben und diese regelmäßig zu beüben. Als Österreichisches Bundesheer sind wir dem Schutz der Bevölkerung verpflichtet. Die ‚Strahlex.23‘ ist eine passende Gelegenheit, die konkreten Vorgänge in Folge von Strahlenbelastung durchzuspielen, mögliche Schwachstellen in den Abläufen zu identifizieren und diese für die Zukunft zu beheben.“

Übungsszenario: Unfall in grenznahen AKW.

Neun aktive Atomkraftwerke (AKW) befinden sich in unmittelbarer Nähe zu Österreich. Jene in der Schweiz liegen Tirol am nächsten. Aufgrund der geografischen Distanz wäre im Ereignisfall die Vorwarnphase für Tirol – also jene Zeit nach einem Unfall bis zum Eintreffen einer radioaktiven Wolke – mehrere Stunden bis hin zu Tagen. Im Rahmen der Stabsübung wurde ein solches Szenario – ein Unfall in einem grenznahen AKW – angenommen. „Das Szenario sah eine radioaktive Wolke vor, die sich langsam auf Tirol zubewegt. Für die Übungsteilnehmenden galt es, aufeinander abgestimmte Maßnahmen zu veranlassen, um den Schaden der radioaktiven Belastung möglichst gering zu halten“, erklärt Rizzoli und führt aus, dass zu treffende Maßnahmen immer abhängig von den jeweiligen Szenarien sind. „Je stärker die angenommene Strahlenbelastung, desto mehr Maßnahmen müssen gesetzt werden. Eine solche Maßnahme ist etwa die Einnahme von Kaliumiodid-Tabletten. Hier ist wichtig zu beachten, dass eine frühzeitige Einnahme die Wirkung des Medikamentes abschwächen würde. Dementsprechend ist es wichtig, dass die Tabletten erst nach Anordnung von Behörden eingenommen werden.“ 

Ähnliches gilt auch für andere Maßnahmen. „Unsere Notfallpläne sehen für die verschiedenen Gefahrenlagen unterschiedliche Maßnahmen vor. Besonders wichtig dabei ist eine transparente Informationsweitergabe an die Bevölkerung: Kommt es zu einem radioaktiven Vorfall, wird die Bevölkerung schnellstmöglich gewarnt und umfassend informiert. Je nach zu erwartender Gefahr werden dann Empfehlungen – etwa der Aufenthalt in Gebäuden oder der Konsumverzicht bestimmter Lebensmittel – ausgesprochen“, so LRin Mair. „Auch für die Bevölkerung gilt es, sich auf verschiedenste Szenarien vorzubereiten. Daher empfehlen wir nachdrücklich, eine Haushaltsbevorratung anzulegen. Neben Lebensmitteln und Getränken für mindestens eine Woche, sollten in jedem Haushalt Taschenlampen, batteriebetriebenes Radio und Reservebatterien bzw. ein Kurbelradio für Informationen und Erste-Hilfe-Utensilien vorrätig sein. Der Bund empfiehlt zudem, dass Familien mit Kindern unter 18 Jahren Kaliumiodid-Tabletten vorrätig haben sollten“, erklärt LRin Mair und verweist auf den Bevorratungsratgeber des Landes Tirol, in welchem sich Tipps und Details zu einer umfassenden Bevorratung für den Haushalt finden.

Von Transportunfall bis hin zum Zugriff durch Spezialkräfte – Leistungsschau in Absam.

Neben Unfällen in Atomkraftwerken werden auch für andere mögliche Szenarien – etwa Unfälle beim Transport radioaktiver Quellen, aber auch radiologische Terrorangriffe – Notfallpläne vorbereitet. „Auch hier gibt es aktuell keine konkreten Bedrohungsszenarien. Dennoch werden seitens der Behörde und der Einsatzorganisationen Vorbereitungen getroffen und regelmäßige Übungen durchgeführt“, so LRin Mair. Im Rahmen der Leistungsschau in der Andreas-Hofer-Kaserne in Absam wurden unterschiedliche Szenarien angenommen und abgewickelt:

Zunächst wurden durch ExpertInnen des Landes Proben von der Umgebung – unter anderem von Pflanzen und aus dem Boden – entnommen. Anschließend bestimmten MitarbeiterInnen des Institutes für Strahlenschutz und Dosimetrie mit Hilfe von speziellen Messgeräten – einem sogenannten Gammaspektrometer – die Strahlenbelastung vor Ort. Das nächste Szenario sah den Unfall eines Fahrzeuges, welches radioaktives Material transportiert, vor. Mitglieder des Strahlenspürtrupps Innsbruck-Land, der Freiwilligen Feuerwehr Reichenau und der Berufsfeuerwehr Innsbruck, ausgerüstet mit Strahlenschutzkleidung und Atemschutzausrüstung, erkundeten die Unfallstelle, nahmen Messungen vor und bargen den bewusstlosen Fahrer des Fahrzeuges. Bevor dieser den Rettungskräften zur weiteren Behandlung übergeben werden konnte, musste der Verletzte dekontaminiert werden – also von Rückständen radioaktiven Materials befreit werden.

Auch beim nächsten Szenario der Leistungsschau handelte es sich um einen Vorfall mit Strahlenbelastung: Einsatzkräfte und Strahlenschutzexperten der Polizei-Spezialeinheit EKO Cobra und gefahrenstoffkundige Organe der Landespolizeidirektion Tirol übten den Zugriff bei einem illegalen „Deal“ mit radioaktiven Material. Ebenfalls mit spezieller Schutzbekleidung und Atemschutzgeräten ausgerüstet, mussten die Einsatzkräfte zwei mutmaßliche Täter überwältigen und die Gefahrenstelle absichern. Als Abschluss der Leistungsschau dekontaminierten Spezialkräfte des Österreichischen Bundesheeres, die sogenannte ABC-Abwehrkompanie, das kontaminierte Fahrzeug der Täter. „Für solche Dekontaminierungsmaßnahmen verfügen wir neben geschulten Soldatinnen und Soldaten sowie besonderer Ausrüstung auch über ein Spezialfahrzeug, den ‚Mammut‘“, erklärt Militärkommandant Gstrein und führt aus: „Einsätze in Zusammenhang mit Strahlung sind immer eine besondere Herausforderung für die Einsatzkräfte. Zum Selbstschutz ist Spezialausrüstung unabdingbar. Diese schränkt jedoch das Sichtfeld und die Bewegungsfreiheit ein. Umso wichtiger ist es, Einsätze regelmäßig in Ausrüstung zu proben, um alle Handgriffe zu verinnerlichen.“

Factbox: Strahlex.23.
Stabsübung im Landhaus in Innsbruck.
  • Szenario: Unfall in grenznahem AKW
  • Teilnehmende Organisationen: Land Tirol, Österreichisches Bundesheer, Feuerwehr, Rotes Kreuz, Polizei, Institut für Strahlenschutz und Dosimetrie; rund 120 Personen
Leistungsschau in der Andreas-Hofer-Kaserne in Absam.
  • Szenarien: Umweltprobenahme sowie Analyse, Transportunfall mit radioaktiven Material, Zugriff bei illegalem „Deal“ mit radioaktiven Material, Dekontaminierung eines Fahrzeuges
  • Teilnehmende Organisationen: Land Tirol, Institut für Strahlenschutz und Dosimetrie, Feuerwehr, Rotes Kreuz, Polizei und Österreichisches Bundesheer; rund 60 Personen
Statements der teilnehmenden Einsatzorganisationen.

Martin Dablander, Landesrettungskommandant Rotes Kreuz Tirol: „Radiologische Vorfälle sind solche, auf die wir uns besonders gewissenhaft vorbereiten müssen, da im Fall eines radioaktiven Ereignisses rasch gehandelt werden muss. Dementsprechend begrüßen wir es als Rotes Kreuz, im Rahmen der Strahlex.23 mitwirken zu dürfen und im Netzwerk mit allen Einsatzorganisationen dieses wohl unwahrscheinliche, aber doch mögliche, Szenario eines AKW Unfalles beüben zu können.“

Jakob Unterladstätter, Statement Landes-Feuerwehrkommandant: „Die Tiroler Feuerwehren sind mit den bezirksweise organisierten Strahlenspürtrupps mit insgesamt 226 Strahlenspürern über ganz Tirol verteilt sehr gut aufgestellt. Mit der entsprechenden Ausrüstung und den definierten Abläufen können sie im Ernstfall schnell und flächendeckend gemeinsam mit dem Land Tirol und der Polizei agieren, die ebenfalls ein bezirksweise gegliedertes System betreibt. Übungen wie die Strahlex.23 unterstreichen diese gut funktionierende Zusammenarbeit unter den Organisationen und stellen, wie auch die jährlich stattfindenden Strahlenschutz-Leistungsbewerbe an der Landes-Feuerwehrschule Tirol, sicher, dass in diesem speziellen Bereich alle handelnden Personen dieselbe Sprache sprechen. Dadurch wird im hoffentlich nie eintretenden Ernstfall eine schnelle und zielgerichtete Reaktion zum Schutz der Tiroler Bevölkerung ermöglicht.“

Johannes Strobl, stellvertretende Landespolizeidirektor: „Egal ob es sich um einen Unfall mit dekontaminiertem Material oder um eine damit begangene Straftat handelt, hier sind auch wir als Exekutive stets gefordert. Unsere speziell geschulten Beamten stehen hier an vorderster Front im Einsatz, um die Lage gemeinsam mit den Kräften befreundeter Einsatzorganisationen so sicher und schnell wie möglich zu bewältigen und die Bevölkerung somit vor weiterer Gefährdung zu schützen.“

Titelbild: In einem der Übungsszenarien der Leistungsschau nahmen MitarbeiterInnen des Landes Proben und untersuchten diese auf Strahlung.

Foto: Land Tirol/Die Fotografen